Hermann Ludwig Blankenburg (1876-1956)
Urlaubsbrief eines Thüringers aus London (Auszug)
Lieber Freund,
... Gestern war ich draußen am Buckingham Palast und habe mir die große Zeremonie der Wachablösung angesehen. Beeindruckend, wie die Paradesoldaten in ihren schneidigen Uniformen mit den schwarzen Pelzmützen an uns Schaulustigen vorüberzogen! Und als die Musiker dann den Marsch intonierten, auf den ich besonders gewartet hatte, glaub mir, da fühlte ich mich so richtig „happy“. Am liebsten hätte ich allen zugerufen: „Hört hin, hört genau hin, diese Musik hat ein Mann aus meiner Heimat komponiert, ein Orchestermusiker, der eigentlich Schäfer werden sollte! – Was für ein Segen, daß sich dieser Hermann Ludwig Blankenburg als Junge seinem Vater gegenüber behauptete und auf eine Musikerausbildung drängte! Die kleine Stadt Thamsbrück (heute Ortsteil von Bad Langensalza) hatte zwar um die Jahrhundertwende einen möglichen Gemeindehirten verloren, die Welt dafür einen König gewonnen.
Denn Blankenburg gilt aufgrund der mehr als 1.200 von ihm komponierten Märsche als der deutsche "Marschkönig". Über Hermann L. Blankenburg, schrieb schon 1931 begeistert ein Schweizer Kritiker: "Was für den J. Strauß der Walzer, ist für Blankenburg der Marsch."
Und was hat das alles mit England zu tun, wirst Du mit Recht fragen. Gar viel. Hier in London hat der Aufstieg Blankenburgs begonnen. Für einen Marsch, den in Deutschland kein Musikverleger haben wollte, gewann er in London bei einem Wettbewerb den ersten Preis. Aus mehr als 5.000 Einsendungen! Und diesen "Auszug der Gladiatoren" spielen sie nach einem runden Jahrhundert auch heute noch. Ich konnte mich davon überzeugen...