Die Wartburglegende
Es gibt auf der Burg einen prächtigen Saal,
da hat einst Herr Walther gesungen:
auch eine einfache Stube ist dort,
wo Luther den Teufel bezwungen.
Der Mönch, der Verbannte aus Wittenberg,
der Kaiser und Papst ließ erschauern,
er lebte, verkleidet als Junker Jörg,
zehn Monde in diesen Mauern.
Doch er war nicht müßig, er nutzte die Zeit,
in jenen so einsamen Tagen,
den griechischen Urtext der Heiligen Schrift
ins Deutsche zu übertragen.
Die Arbeit war schwer, und der Luther war oft
nahe daran zu verzagen:
und obendrein hatte der Gottesmann
mit Satan herum sich zu schlagen.
Oft störte der Teufel den fleißigen Mönch
durch Knurren und Knarren und Schaben.
(Man liest, dass auch noch ein verwahrloster Hund
und Mäuse ihm zugesetzt haben.)
Da packte den Luther am Ende die Wut.
Er wollte den Beelzebub stellen.
Er schleuderte mutig sein Tintenfaß
auf diesen rüden Gesellen.
Der Teufel, ob solcher Attacke verblüfft,
floh eilends. Es war keine Finte.
Zurück blieb ein stolzer, siegfroher Mönch
und ein Wandfleck von tiefblauer Tinte.
Kommst du heut zur Wartburg, brauchst du freilich nicht,
nach dem Tintenflecke zu fragen:
Besucher haben ihn scheibenweis´ längst
als Reliquie nach Hause getragen.